Deutlicher als prognostiziert: Inflationsrate in Deutschland fällt auf 3,2 Prozent

Mit der niedrigsten Rate seit zweieinhalb Jahren wächst der Optimismus an den Märkten, doch zum Jahresende könnte der Preisdruck kurzzeitig wieder ansteigen.

Die deutsche Inflationsrate erreichte im November den niedrigsten Stand seit fast zweieinhalb Jahren, was an den Märkten für Optimismus sorgte. Die Verbraucherpreise in der Bundesrepublik stiegen im Vergleich zum Vorjahresmonat nur noch um 3,2 Prozent und damit deutlich langsamer als erwartet. Dies ist der niedrigste Wert seit 2021, als die Inflation bei 2,4 Prozent lag. Experten, die von Reuters befragt wurden, hatten im Vorfeld eine Teuerungsrate von 3,5 Prozent prognostiziert.

Im Oktober betrug die Inflation noch 3,8 Prozent. Die Daten aus Deutschland sind von großer Bedeutung für die gesamteuropäische Preisentwicklung, da Deutschland die größte Volkswirtschaft im Euro-Raum ist. Am Donnerstagmittag werden die Daten für die Währungsunion erwartet, bei denen Volkswirte im Durchschnitt einen Rückgang der Inflationsrate auf 2,7 Prozent erwarten, den tiefsten Stand seit 2021. Die überraschend starke Abkühlung der deutschen Teuerungsrate sorgte für neuen Optimismus am Aktienmarkt.

Der Dax, Deutschlands Leitindex, stieg bis zum Nachmittag um 1,2 Prozent auf 16.175 Punkte, den höchsten Stand seit vier Monaten. Auch am Anleihemarkt stiegen die Kurse und die Rendite der zweijährigen Bundesanleihe fiel um neun Basispunkte auf 2,82 Prozent. Eine wichtige Antriebskraft für diese Entwicklung ist die Hoffnung der Investoren, dass der Kampf der großen Notenbanken gegen die Inflation in die Endphase geht und die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Leitzinsen nicht weiter erhöhen muss.

Vor ihrer ersten Zinspause im Oktober hatte die Notenbank ihren Leitzins zehn Mal in Folge auf 4,5 Prozent angehoben. Merck Fincks Chefstratege Robert Greil ist der Ansicht, dass die EZB wahrscheinlich keine weiteren Leitzinsanhebungen vornehmen wird. Ab Mitte nächsten Jahres hält er Zinssenkungen wieder für möglich, was den Aktienmarkt unterstützen würde, da die Finanzierungskosten für Unternehmen dadurch sinken würden. Niedrigere Leitzinsen würden auch zu sinkenden Renditen am Anleihemarkt führen, was im Gegenzug die Attraktivität von Aktien erhöhen würde.

Jedoch gibt es auch Stimmen, die vor zu großen Erwartungen an sinkende Notenbankzinsen warnen. “Im Kampf gegen die Inflation ist die letzte Meile immer die schwierigste”, sagte Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Besonders bei den arbeitsintensiven Dienstleistern seien die Löhne kräftig gestiegen und diese könnten versuchen, die höheren Personalkosten an ihre Kunden weiterzugeben. Auch Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe, befürchtet, dass ein “preisstabiles Umfeld noch für längere Zeit außer Sicht bleiben wird”. Er glaubt, dass die EZB “die Zinszügel daher weiter fest in der Hand halten” wird.

Bereits zu Beginn der Woche machte EZB-Präsidentin Christine Lagarde klar, dass sie den Kampf gegen die Inflation noch nicht gewonnen sieht und Bundesbank-Chef Joachim Nagel betonte, es sei zu früh, auch nur über Zinssenkungen nachzudenken. Am 14. Dezember wird der EZB-Rat zu seiner letzten Sitzung in diesem Jahr zusammenkommen und auch neue Projektionen zur künftigen Inflationsentwicklung vorlegen. Diese werden von Volkswirten und Analysten mit Spannung erwartet, da sie neue Erkenntnisse zur Geldpolitik im kommenden Jahr liefern könnten.

Auf ihrer Dezembersitzung könnte die EZB auch über ein vorzeitiges Ende des noch laufenden Anleihekaufprogramms PEPP beraten. Dieses Programm im Wert von Billionen Euro wurde während der Covid-19-Pandemie gestartet, um günstige Finanzierungsbedingungen für Staaten, Unternehmen und Haushalte aufrechtzuerhalten. Da die Pandemie nun vorüber ist, passen expansive Kaufprogramme wie das PEPP nicht mehr zur deutlich strengeren Geldpolitik. Obwohl auslaufende Anleihen aus dem Programm weiterhin durch Käufe der EZB vollständig ersetzt werden, ist geplant, diese Reinvestitionen bis mindestens Ende 2024 fortzusetzen. Die Notenbank strebt mittelfristig eine Inflationsrate von 2,0 Prozent an.

Laut Prognosen der Deutschen Bank wird die Inflation im Jahr 2024 voraussichtlich durchschnittlich um 2,8 Prozent steigen, nach einer voraussichtlichen Teuerungsrate von 6,0 Prozent zum Jahresende. Wenn man die europäische Berechnungsmethode zugrunde legt, lag die deutsche Inflation im November bei 2,3 Prozent und damit knapp über dem Stabilitätsziel der EZB. Im Oktober betrug die Teuerungsrate nach dieser Methode 3,0 Prozent. Der von der EZB verwendete Inflationsmaßstab (HVPI) unterscheidet sich leicht vom Verbraucherpreisindex (VPI), den das Statistische Bundesamt bevorzugt. Unter anderem fließt dabei auch die Preisentwicklung von selbstgenutztem Wohneigentum mit ein.

Im November trug vor allem der um 4,5 Prozent gesunkene Energiepreis zum Rückgang der deutschen Inflation bei. Ulrich Wortberg, Ökonom der Helaba, erklärte: “Trotz des anhaltenden Nahostkonflikts kam es zu rückläufigen Ölpreisen, was sich positiv an den Tankstellen und bei den Heizölpreisen auswirkte.” Treiber der Teuerung waren jedoch Nahrungsmittel, für die Verbraucher im Durchschnitt 5,5 Prozent mehr bezahlen mussten. Die Preise für Dienstleistungen stiegen um 3,4 Prozent. Die Kerninflation, also die Teuerungsrate ohne Nahrungsmittel und Energie, lag bei 3,8 Prozent.

Zum Jahresende könnte der Trend zu sinkenden Inflationsraten kurzzeitig unterbrochen werden. Aufgrund eines Basiseffekts könnte die Teuerungsrate kurzfristig wieder über vier Prozent steigen, warnten Forscher des Ifo-Instituts am Mittwoch. Im Dezember 2022 waren die Gaspreise aufgrund von staatlich übernommenen Kosten für den Dezember-Abschlag stark gesunken.

(eulerpool-AFX)

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