Siemens Energy, gebeutelt im Windturbinengeschäft, sichert sich zwölf Milliarden Euro an Garantien, von Siemens.
Erleichterung für Siemens Energy: Der angeschlagene Windturbinenhersteller hat erfolgreich insgesamt zwölf Milliarden Euro an Garantien gesichert. Dieser Erfolg wurde durch die Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Mutterkonzern erzielt, nach langem Widerstand. Am vergangenen Mittwoch feierte Siemens Energy-Chef Christian Bruch die Eröffnung einer Wasserstofffabrik in Berlin, während Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck die Werkshallen in der Huttenstraße besuchten.
Die roten Backsteinfassaden der Werksgebäude strahlen Industrieromantik aus und sollen bald Elektrolyseure zur Herstellung des zukunftsträchtigen Energieträgers Wasserstoff produzieren. Doch bereits am Abend zuvor hatte Siemens Energy zusammen mit der Bundesregierung und dem Großaktionär Siemens den entscheidenden Schritt gemacht: Nach Informationen des SPIEGEL gelang der Durchbruch in den Verhandlungen über lebenswichtige Garantien.
Der Staat, Siemens und ein Konsortium aus vier Banken stellen Siemens Energy insgesamt zwölf Milliarden Euro an frischen Garantien zur Verfügung – eine notwendige Unterstützung, um in den kommenden Jahren Großaufträge für den Bau von Stromleitungen und Konvertern für Offshore-Windanlagen annehmen und erfolgreich durchführen zu können. Am Donnerstag hat der Präsidialausschuss des Aufsichtsrates das Hilfspaket bereits abgesegnet und am Dienstag wird das gesamte Kontrollgremium voraussichtlich ebenfalls zustimmen.
Die Verhandlungen über diese Maßnahmen waren hart umkämpft und erforderten intensive Diskussionen zwischen der Führung von Siemens Energy unter der Leitung von Christian Bruch, Vertretern der Bundesregierung, verschiedenen Banken und Siemens-Chef Roland Busch.
Siemens Energy ist ein Anbieter von Gaskraftwerken, Energienetzen, Windkraft- und nun auch Wasserstoffanlagen und spielt eine wichtige Rolle bei der Umstellung auf ein nachhaltigeres Energiesystem. Allerdings schreibt die Windkraftsparte des Unternehmens, Siemens Gamesa, seit Jahren rote Zahlen und wird allein in diesem Jahr voraussichtlich einen Verlust von mindestens 4,5 Milliarden Euro verzeichnen. Teilweise sind diese Probleme hausgemacht: Bei der Integration des spanischen Windturbinenspezialisten Gamesa, den Siemens Energy übernommen hatte, gab es Managementfehler.
Zuletzt traten auch ernsthafte Qualitätsprobleme bei den Gamesa-Turbinen auf. Hinzu kommt, dass Siemens Energy wie andere europäische Windturbinenhersteller langfristige Lieferverträge zu festen Preisen abgeschlossen hat und nun mit stark gestiegenen Kosten für Stahl und andere Vorprodukte zu kämpfen hat. Auch der ruinöse Wettbewerb um immer größere und leistungsfähigere Windräder, der durch chinesische Konkurrenten zunehmend befeuert wird, setzt dem Unternehmen zu.
Trotz eines Auftragsbestandes in Höhe von rund 110 Milliarden Euro steckt Siemens Energy daher in einer tiefen Krise und die Kreditwürdigkeit hat sich zuletzt verschlechtert. Die Banken waren daher nicht mehr bereit, ausreichend Bürgschaften für Großprojekte zu gewähren. Vor einigen Wochen bat Bruch daher die Bundesregierung um Hilfe.
Im Mittelpunkt stand dabei von Anfang an nicht, dass der Staat sich direkt mit Kapital an Siemens Energy beteiligt, wie es im vergangenen Jahr bei der Rettung des Gashändlers Uniper der Fall war. Stattdessen sollte der Bund mit Garantien einspringen, um den Banken mehr Sicherheit zu geben.
Es war die Rede von einem Gesamtpaket in Höhe von15 Milliarden Euro. Jedoch bestanden Scholz und Habeck darauf, dass sich auch Siemens an dem Hilfspaket beteiligt. Der Münchner Konzern hatte sein Energiegeschäft im vergangenen Jahr abgespalten, ist jedoch mit 25 Prozent immer noch der größte Anteilseigner von Siemens Energy. Die Garantien, die Siemens früher in großem Umfang gestellt hatte, waren in den vergangenen Jahren stark reduziert worden. Busch hatte lange versucht, sich gegen eine Übernahme von neuen Risiken zu wehren und argumentierte intern damit, dass man den eigenen Aktionären gegenüber verpflichtet sei.
Doch Siemens Energy und die Bundesregierung argumentierten, dass Siemens als Großaktionär ein hohes Eigeninteresse daran habe, die frühere Tochtergesellschaft zu stabilisieren und zukunftsfähig zu machen. Medienberichten zufolge führten Buschs Mitarbeiter auch rechtliche Bedenken an, die jedoch offenbar ausgeräumt werden konnten. Dadurch kam es schließlich zu einem Kompromiss.
Die Bundesregierung unterstützt Siemens Energy mit 7,5 Milliarden Euro an Garantien, die Banken stellen weitere 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung und Siemens beteiligt sich mit einer Milliarde Euro. Die Beteiligung des Münchner Konzerns besteht aus zwei Teilen: Zum einen wird eine Rate von 250 Millionen Euro für die Nutzung des Markennamens Siemens gestundet und als Sicherheit verwendet. Zudem betreiben Siemens und Siemens Energy ihr Indiengeschäft derzeit in einer gemeinsamen Gesellschaft.
Es war bereits geplant, dass die Muttergesellschaft ihre Beteiligung an diesem Unternehmen irgendwann aufgeben würde. Nun wird dieser sogenannte “Carve Out” von Siemens vorverlegt und das Unternehmen überweist rund zwei Milliarden Euro an Siemens Energy, von denen 750 Millionen Euro ebenfalls als Sicherheit für neue Bankgarantien dienen sollen. Insgesamt beläuft sich das Hilfspaket somit auf12 Milliarden Euro, während ursprünglich 15 Milliarden Euro angestrebt wurden.
Laut Verhandlungskreisen könnte dieser Betrag noch durch Mittel aus dem Indiendeal aufgestockt werden. Gemäß Informationen des SPIEGEL führt Siemens Energy derzeit auch Gespräche mit den Regierungen in Spanien und Dänemark, um bestehende Garantien in diesen Ländern auszubauen. In beiden Ländern spielt Siemens Energy, neben Deutschland, in der Windkraftbranche eine bedeutende Rolle. Am Mittwoch wird das Unternehmen außerdem seine Jahreszahlen veröffentlichen und weitere Maßnahmen vorstellen, um die Verluste im Windgeschäft zu reduzieren und die Qualitätsprobleme zu beheben.
(eulerpool-AFX)