Trotz hoher Kosten und Sparzwang der Konsumenten expandiert der weltgrößte Kosmetikkonzern, getrieben durch einen Hauptfaktor, erklärt der Deutschland-Chef.
L’Oréal will die Produktion in Deutschland ausbauen, trotz der kontroversen Debatte über die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts. Der neue Chef der DACH-Region, Kenneth Campbell, sieht großes Potenzial und betont die Kreativität und Qualität der deutschen Talente. In Karlsruhe, wo täglich über eine Million Produkte hergestellt werden, hat L’Oréal bereits drei neue Produktionslinien eröffnet. Dies ist notwendig, um die steigende Nachfrage zu bedienen und die Präsenz in über 35 Ländern mit Haar-, Haut- und Sonnenpflegeprodukten zu stärken.
Mit insgesamt 38 Fabriken, von denen 19 in Europa ansässig sind, ist L’Oréal einer der größten Kosmetikhersteller weltweit. Die Entscheidung, in Deutschland zu produzieren, wird auch durch die geringe Energieintensität der kosmetischen Produkte begünstigt. Darüber hinaus wird der deutsche Markt für L’Oréal immer wichtiger, trotz der anhaltenden Konsumschwäche aufgrund hoher Inflationsraten. Deutschland, Österreich und die Schweiz haben sich als der wichtigste europäische Markt für den Konzern etabliert und haben in diesem Jahr sogar den französischen Heimatmarkt übertroffen. Sie sind nun die drittwichtigste Region weltweit, nach den USA und China.
Das Unternehmen verzeichnet ein starkes Wachstum in Europa, obwohl der Konsumriese in China mit wirtschaftlichen Herausforderungen zu kämpfen hat. Im dritten Quartal musste L’Oréal einen Erlösrückgang von fast fünf Prozent in Nordasien hinnehmen. Insgesamt hat das Unternehmen seinen Umsatz in den ersten drei Quartalen um knapp 13 Prozent gesteigert, wobei Europa mit einem Plus von fast 18 Prozent einen entscheidenden Beitrag leistet. Campbell betont die DACH-Region als einen der größten Wachstumstreiber für den Konzern.
Zu L’Oréals Portfolio gehören 37 internationale Marken wie L’Oréal Paris, Garnier, Maybelline, Kiehl’s, Lancôme, Biotherm und Vichy. Der Aktienkurs des Konzerns ist dieses Jahr um 30 Prozent gestiegen, was vor allem der französischen Industriellenfamilie Bettencourt zugutekommt, die ein Drittel der Anteile besitzt. Ein Viertel der Anteile gehört dem Lebensmittelriesen Nestlé. Ein wichtiger Faktor für das Wachstum sind höhere Preise, die von vielen Konsumunternehmen durchgesetzt wurden, um gestiegene Kosten auszugleichen. Die Pandemie und der Einmarsch Russlands in die Ukraine haben zu höheren Ausgaben für Energie, Rohstoffe und Logistik geführt. L’Oréal gab jedoch bekannt, dass die Preiserhöhungen moderat waren.
Im Vergleich zu anderen Konsumgüterunternehmen haben Hersteller von hochwertiger Kosmetik einen Vorteil, da ihre Produkte in der Regel höhere Margen erzielen. Daher ist der Druck, Preiserhöhungen bei Händlern durchzusetzen, geringer. L’Oréal hat in Deutschland, Österreich und der Schweiz mehr Produkte verkauft als im Vorjahr, während andere Unternehmen wie Henkel oder Nestlé rückläufige Absätze verzeichnen.
Parfüms und Kosmetik sind im Vergleich zu anderen Konsumgütern weniger von Kaufzurückhaltung betroffen. Verbraucher vertrauen auf etablierte Marken und wechseln seltener zu preisgünstigen Eigenmarken. Zudem haben viele Verbraucher während der Pandemie das Konsumverhalten geändert und gönnen sich kleine Luxusartikel wie hochwertige Parfüms oder Lippenstifte. Dieser Trend, auch als “Lippenstift-Effekt” bekannt, kommt L’Oréal zugute.
Um weiterhin erfolgreich zu sein, investiert L’Oréal verstärkt in Werbung und die Entwicklung neuer Produkte. Das Unternehmen gehört zu den zehn Firmen mit den höchsten Werbeausgaben in Deutschland. Campbell betont, dass L’Oréal das Angebot ständig erweitert und im Jahr 2024 fast doppelt so viele neue und verbesserte Produkte auf den Markt bringen möchte. Unter der Marke Prada Beauty hat das Unternehmen dieses Jahr bereits neue Make-up- und Hautpflegeprodukte eingeführt. Mit neuen Produkten können Hersteller einfacher höhere Preise im Handel durchsetzen als bei etablierten Produkten.
Der Erfolg von L’Oréal ist auch auf die verstärkte Nutzung von Influencer-Marketing und digitalen Tools zurückzuführen, mit denen Verbraucher den Effekt von Cremes oder Haarfarben virtuell testen können. Das Unternehmen erzielt bereits 28 Prozent seiner Umsätze online. Eine Änderung des Blicks auf das Thema Gesundheit nach der Pandemie hat auch zu einer gestiegenen Nachfrage nach Hautpflegeprodukten geführt. Campbell betont, dass Kosmetik schon immer ein Grundbedürfnis war, heute aber nahezu essenziell ist.
Campbell, der seit 1997 für L’Oréal arbeitet und in vielen europäischen und asiatischen Ländern tätig war, ist überzeugt, dass seine Erfahrung in Schwellenländern ihm geholfen hat, die aktuelle wirtschaftliche Lage zu bewältigen. Der Konzern muss sein Angebot nicht nur über den Preis, sondern auch über hochwertige Produkte von der Konkurrenz abheben. Besonders in Deutschland legen Verbraucher Wert auf wirksame Kosmetik. L’Oréal setzt daher auch auf Gratisproben im Handel und Empfehlungen von Hautärzten, um Verbraucher von seinen Produkten zu überzeugen.
Um Trends frühzeitig zu erkennen und die richtigen Produkte auf den Markt zu bringen, ist laut Campbell eine enge Zusammenarbeit mit Verbrauchern wichtig. Letztendlich ist es das Ziel von L’Oréal, das Interesse und die Kauflust von Verbrauchern zu wecken, indem sie Produkte anbieten, die ihren Bedürfnissen und Wünschen entsprechen. Mit seinen verstärkten Investitionen in Werbung, Produktentwicklung und innovatives Marketing ist L’Oréal gut aufgestellt, um weiterhin erfolgreich auf dem deutschen Markt zu sein.
(eulerpool-AFX)