Bayer-CEO: Einer der anspruchsvollsten Führungspositionen in der deutschen Wirtschaft

Bill Anderson treibt radikalen Wandel bei Bayer voran, plant umfassende Führungsstrukturreform zur Krisenbewältigung.

Bill Anderson will Bayer aus der Krise führen – und setzt dazu auf eine grundlegend veränderte Führungsstruktur. Sein Umbauplan wird den Pharma- und Agrarchemiekonzern aus Leverkusen bis in die Fundamente erschüttern. Der US-Amerikaner ist seit Juni im Amt und hat nun sein erstes Interview als Bayer-Chef dem Handelsblatt gegeben.

Seine Mission ist klar: Bayer soll wieder stark werden, endlich aus dem Schatten der Vergangenheit rund um die Monsanto-Übernahme treten und sich aus starren internen Strukturen befreien. Doch der Weg, den Anderson für die Umstrukturierung wählt, ist umstritten. Er will Hierarchieebenen, Managementposten und Bürokratie abbauen und bezieht sich dabei auf das aktualisierte Buch eines bekannten Management-Gurus. Wie er die Zukunft des Konzerns sieht und wo er auch im Rest der deutschen Unternehmen Verbesserungsbedarf erkennt, erzählt Anderson im exklusiven Interview.

Bill Anderson, der neue Chef von Bayer, hat eine große Herausforderung vor sich – er muss den angeschlagenen Pharma- und Agrarchemiekonzern aus der Krise führen. Bayer leidet aktuell unter einer hohen Schuldenlast, einem Null-Cashflow und immer mehr Investoren fordern eine Zerschlagung. Doch Anderson, der seit Juni im Amt ist, hat einen umstrittenen Rettungsplan: Er will radikal Hierarchieebenen, Managementposten und Bürokratie abbauen und bezieht sich dabei auf das Buch eines bekannten Management-Gurus.

In seinem ersten Interview als Bayer-Chef spricht Anderson mit dem Handelsblatt über seine Pläne, den Konzern zu erneuern. Er betont, dass Bayer jetzt liefern und seine Ziele erreichen muss. Dafür will er beim internen Umbau “Vollgas geben” und sich selbst treu bleiben. Trotz des enormen Drucks, unter dem Bayer steht, spricht Anderson der Belegschaft sein volles Vertrauen aus. In seinem elektronischen Brief an die Mitarbeiter nach dem 20. November, als die Bayer-Aktie innerhalb von Minuten um 20 Prozent gefallen war, betont er, dass er an die Zukunft des Konzerns glaubt und dass die besten Zeiten noch bevorstehen.

Der Amerikaner weiß, wie schwer der Rückschlag für Bayer ist, doch er ist zuversichtlich, dass er das Unternehmen wieder auf Kurs bringen kann. Er setzt dabei auf einen grundlegenden Wandel der Organisationsstruktur: Auf seinen Betriebsanleitungen, die bereits intern kursieren, steht “Dynamic Shared Ownership”, was so viel bedeutet wie dynamische, verteilte Verantwortung. Hierbei sollen Hierarchieebenen reduziert und traditionelle Abteilungen durch flexibel zusammengesetzte Teamsersetzt werden, in denen die Mitarbeiter selbstorganisiert arbeiten. Anderson bezieht sich dabei auf das Buch des Management-Gurus Gary Hamel und dessen Kernfrage: Welche Organisation bringt die besten Leistungen der Menschen hervor?

Doch Andersons Umbaupläne sorgen intern für gemischte Reaktionen. Viele Mitarbeiter begrüßen die Veränderungen, während andere verunsichert sind und um ihre Jobs fürchten. Trotzdem ist Andersons Ziel klar: Er will Bayer aus dem Schatten der Vergangenheit treten lassen und den Konzern wieder stark machen. Denn aktuell sieht die Lage düster aus: Innerhalb von fünf Jahren hat Bayer fast 50 Prozent des Börsenwerts verloren, das operative Geschäft läuft schwach und die Aussichten für 2024 sind mau. Aktivistische Investoren erwarten eine Konzernaufspaltung, doch dieser Schritt stößt auf internen Widerstand.

Anderson, der sich auch privat von seiner locker und gut gelaunten Seite zeigt, ist bereit für die Herausforderung. Er hat bereits in anderen Unternehmen erfolgreich komplexe Restrukturierungen durchgeführt und setzt sich mit seinem Team aus 30 Experten intensiv mit den Auswirkungen einer möglichen Aufspaltung auseinander. In seinem ersten Interview seit seinem Amtsantritt betont Anderson, dass er Veränderungen vorantreiben wird, um Bayer wieder auf die Erfolgsspur zu bringen.

Marc Tüngler, der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, sieht in Andersons Aufgabe bei Bayer die komplexeste und schwierigste unter allen CEOs in Deutschland. Doch Anderson ist bereit, den Kampf aufzunehmen und die Unternehmensstruktur von Bayer komplett auf den Kopf zu stellen. Er will dem Unternehmen neues Leben einhauchen und die Vergangenheit hinter sich lassen. Seine Mission ist es, zusammen mit seinem Team die besten Zeiten für Bayer noch vor sich zu haben.

Bayer steht vor großen Herausforderungen: die Monsanto-Übernahme, milliardenschwere Rechtskosten und der Vertrauensverlust der Investoren. Nun hat der neue Ceo Bill Anderson das Ruder in der Hand und muss beweisen, dass er die richtigen Fähigkeiten und den richtigen Hintergrund hat, um den Traditionskonzern erfolgreich zu führen. Anderson bringt Erfahrung aus der amerikanischen Biotech-Szene mit und hat bereits bei Roche bewiesen, dass er eine Organisation nach seinen Prinzipien umbauen und eine neue Dynamik freisetzen kann. Doch seine Zeit bei Roche war nicht ohne Chaos und Kritiker bemängeln, dass er nicht genug neue Medikamente entwickeln konnte.

Für Anderson ist klar, dass sowohl bei Roche als auch bei Bayer ein Neuaufbau der Pharmapipeline und der Organisation Jahre dauert. Doch ob die Investoren ihm so viel Zeit geben und stillhalten werden, ist fraglich. Die Monsanto-Übernahme wurde nie euphorisch aufgenommen und nach den Prozessen wegen angeblicher Gesundheitsschäden durch Glyphosat rutschte die Aktie immer weiter ab. Die Hedgefonds werden mit ihren Forderungen immer lauter und im März 2024 wird Anderson auf einem Kapitalmarkttag seine Strategie und Ziele erklären müssen.

Für einige Analysten gibt es strategische Möglichkeiten für den Konzern, doch sie halten sich vorerst an der Seitenlinie und wollen abwarten, was Anderson macht. Die Frage, ob eine mögliche Aufspaltung von Bayer eine Option ist, steht im Raum. Einige fordern eine Abspaltung des Agrargeschäfts, aber aufgrund der Monsanto-Rechtsrisiken ist dies momentan kaum möglich. Die Pharmasparte fehlt nach dem Ausfall des größten Hoffnungsträgers ebenfalls eine Wachstumsperspektive. So richtet sich alle Aufmerksamkeit auf das Geschäft mit verschreibungsfreien Medikamenten und insbesondere die Marke Aspirin. Diese Division läuft stabil und wird auf 15 bis 20 Milliarden Euro geschätzt.

Ein Fondsmanager hält eine Abspaltung als wertschaffenden Schritt für den besten Weg und schlägt einen Börsengang vor, von dem Aktionäre und die Bayer-Konzernkasse profitieren könnten. Doch Bayer würde mit einer Abspaltung von Consumer Health einen guten Cash-Lieferanten verlieren und auf seine Kernmarke Aspirin verzichten müssen. Zudem könnte eine vollere Konzernkasse ein Signal für die Glyphosat-Klägeranwälte in den USA sein, noch mehr Geld von Bayer zu fordern. Das Klagerisiko belastet weiterhin den Aktienkurs des Konzerns und mit jedem verlorenen Verfahren steigt der Druck, schnellere und möglicherweise teurere Vergleiche mit den Klägern einzugehen.

Im März erwartet Anderson, dass er Lösungsansätze für jede Division präsentiert wird. Er muss einen Weg finden, um Schulden abzubauen und gleichzeitig in die Zukunft der Pharmasparte zu investieren. Doch er steht im Widerstreit der Interessen zwischen den aggressiven Hedgefonds und den langfristig orientierten Investoren. Zudem gibt es Widerstände im Konzern gegen eine mögliche Aufspaltung. Die im Aufsichtsrat stark vertretene Gewerkschaft IG BCE betont, dass Bayer mit seinen drei Standbeinen gut aufgestellt ist. Doch wenn Anderson keine erfolgreiche Lösung findet, ist die Zukunft des Traditionskonzerns unsicher – es wird bereits von Übernahmen und einer möglichen Zerschlagung gesprochen.

(eulerpool-AFX)

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