Aktuelle Inflationszahlen lösen Debatte über mögliche Zinswende im Eurogebiet aus

Im November verzeichnet die Euro-Zone lediglich eine Preissteigerung von 2,4 Prozent, was den Druck auf die Europäische Zentralbank erhöht.

Die Inflation in der Euro-Zone fiel im November überraschend niedrig aus, lediglich 2,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Das ist der geringste Wert seit Sommer 2021 und rückt damit näher an das Stabilitätsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent. Die Experten hatten im Vorfeld mit einer höheren Teuerungsrate von 2,7 Prozent gerechnet, während im Oktober noch ein Anstieg von 2,9 Prozent verzeichnet wurde.

Volkswirte gehen davon aus, dass die EZB die Zinsen ab Mitte des kommenden Jahres senken wird. Die Frage ist jedoch, wie schnell und stark dies geschehen wird, abhängig von den Konjunkturdaten.

Die Diskussion um die Geldpolitik der EZB wurde durch die überraschend niedrige Inflationsrate noch einmal angeheizt. Prominente Ökonomen befürchten, dass die Notenbank zu lange mit Zinssenkungen wartet und damit die fragile Konjunktur abwürgt.

Nach zehn Zinserhöhungen in Folge hatte die EZB im Oktober eine Pause eingelegt, betonte jedoch Präsidentin Christine Lagarde, dass der Kampf gegen die Inflation noch nicht gewonnen sei. Bundesbankpräsident Joachim Nagel sieht es als verfrüht an, über Zinssenkungen zu sprechen, während Jens Südekum von der Universität Düsseldorf warnt, dass die Notenbank den konjunkturellen Aufschwung beschädigen könnte, wenn sie ihre Leitsätze “zu lange hoch hält”.

Auch Sebastian Dullien, Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, befürchtet, dass die EZB alte Fehler wiederholen könnte. In der Vergangenheit habe die Notenbank oft zu zögerlich auf abschwächenden Teuerungsdruck und negative Konjunkturdaten reagiert, so Dullien. Es bleibe zu hoffen, dass die EZB diesmal schneller auf das veränderte Umfeld reagiert, um eine unnötige Verlängerung der Schwächephase in der Euro-Zone zu vermeiden.

Die Entwicklung der Inflation zeigt sich auch bei der Veränderung binnen Monatsfrist: Im November sanken die Preise um ein halbes Prozent. Sollte der Euro-Raum in eine tiefere Rezession abrutschen, hätte die EZB mit dem nachlassenden Inflationsdruck den Spielraum für deutliche Zinssenkungen. Laut Thomasz Wieladek, Europa-Ökonom bei der US-Fondsgesellschaft T. Rowe Price, könnte die EZB bei einem Anstieg der Arbeitslosigkeit im Jahr 2024 zu aggressiveren Zinssenkungen gezwungen werden.

Die Märkte zeigen bereits eine Erwartung für eine mögliche Zinssenkung im April nächsten Jahres. Laut dem Informationsdienst Bloomberg rechnen Investoren damit, dass die EZB im kommenden Jahr vier Mal die Zinsen um jeweils einen Viertelprozentpunkt senken wird. Die Wahrscheinlichkeit für eine fünfte Senkung liegt bei 70 Prozent, was bedeuten würde, dass der Leitzins der Notenbank von 4,5 Prozent auf 3,25 Prozent fallen würde.

Die Hoffnung auf ein Ende des Zinserhöhungszyklus hatte bereits in den letzten Wochen für Optimismus an den Aktienmärkten gesorgt, was auch im November zu einem Anstieg des Dax um 9,5 Prozent führte. Laut KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib ist es dennoch viel zu früh für Überlegungen zu Leitzinssenkungen, da die Kerninflation, in der die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Lebensmittel nicht berücksichtigt werden, noch immer deutlich über dem Stabilitätsziel der EZB liegt.

Sie prognostiziert, dass bereits im Dezember wieder eine Drei vor dem Komma stehen könnte und die Inflation durch den Anstieg der Arbeitslosigkeit weiter steigen wird. Die niedrigere Inflationsrate gibt zwar ein positives Signal, jedoch sollte die EZB weiterhin vorsichtig agieren und die Entwicklung der Kerninflation im Auge behalten, um die eurozone Wirtschaft nicht unnötig zu schädigen.

Die endlosen Debatten und Spekulationen über den Kurs der Europäischen Zentralbank (EZB) könnten ein unerwartetes Ende nehmen. Neue Daten deuten darauf hin, dass der Preisdruck in der Euro-Zone viel schneller nachlassen wird als von den EZB-Geldpolitikern vermutet. Marc de Muizon, Ökonom bei der Deutschen Bank, stellt in diesem Zusammenhang heraus, dass “alle Komponenten” des Preisdrucks nachlassen. Die neuen Daten bestätigen somit, dass die Inflation schneller sinkt als von der EZB selbst vorhergesagt.

Auch Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, ist zuversichtlich: „Die Inflationsrate wird zur Jahresmitte 2024 auf oder zumindest in der Nähe des von der EZB-Ziels von zwei Prozent liegen – auch im Bereich der Kernteuerung.“ Und selbst Frederik Ducrozet von der Schweizer Bank Pictet geht davon aus, dass die Inflation viel schneller fällt als von den Geldpolitikern prognostiziert. Sein Rat: Die EZB sollte noch keinen “Sieg” verkünden, sondern sich auf Anpassungen im kommenden Jahr einstellen. Denn das Risiko besteht nun, dass die Geldpolitik zu restriktiv wirkt.

Dieser Meinung schließt sich auch Fabio Panetta an, der neue Notenbankchef von Italien. In seiner ersten großen Rede als Chef der Banca d’Italia betonte er, „unnötigen Schaden für die wirtschaftliche Aktivität und Risiken für die finanzielle Stabilität zu vermeiden, die letztendlich die Preisstabilität gefährden würden“. Panetta trat erst Anfang des Monats seinen Posten an.

Gestern veröffentlichte das Statistische Bundesamt die deutschen Inflationszahlen für November: Die Verbraucherpreise stiegen nur noch um 3,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Damit erreichte die Teuerungsrate den niedrigsten Stand seit zweieinhalb Jahren. Es ist jedoch zu beachten, dass die Berechnungsmethode des Statistischen Bundesamts (VPI) sich von der des Europäischen Statistikamts (HVPI) unterscheidet. Gemessen an der europäischen Berechnungsmethode, liegt die deutsche Inflationsrate im November bei 2,3 Prozent.

Auch in anderen Ländern der Euro-Zone sieht es unterschiedlich aus: Während in Belgien die Verbraucherpreise um 0,7 Prozent zurückgingen, wiesen Länder wie Slowakei (6,9 Prozent), Kroatien (5,5 Prozent) und Österreich (4,9 Prozent) eine besonders hohe Teuerungsraten auf. Besonders niedrig war die Inflationsrate im November in Italien (0,7 Prozent) und Finnland (0,8 Prozent).

Die aktuellen Entwicklungen deuten also darauf hin, dass der Preisdruck in der Euro-Zone schneller nachlassen wird als erwartet. Die EZB sollte daher nicht zu früh auf ihren Erfolg anstoßen, sondern sich auf Anpassungen im kommenden Jahr vorbereiten. Die verschiedenen Inflationsraten innerhalb der Euro-Zone zeigen zudem, dass die geldpolitischen Maßnahmen der EZB nicht immer gleichermaßen wirksam sind. Es bleibt abzuwarten, wie die EZB auf die neuen Entwicklungen reagieren wird und wie sich die Inflation in den kommenden Monaten weiterentwickeln wird.

(eulerpool-AFX)

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