Nach Rückschlägen in der Kryptoindustrie strebt Singapur nun eine Führungsrolle im Bereich der Finanz-KI an, mit verstärktem Augenmerk auf Risikomanagement.
Singapur verbrennt sich die Finger in der Kryptoindustrie und ist nun daran interessiert, sich als führendes Zentrum für Finanztechnologie zu etablieren – mit einem stärkeren Fokus auf Risikomanagement. Die warnenden Worte des singapurischen Staatschefs Tharman Shanmugaratnam an die globale Finanzwelt auf dem Singapore-Fintech-Festival unterstreichen deutlich die potenziell katastrophalen Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz. Der Präsident ruft die Finanzindustrie zur Vorsicht auf, insbesondere wenn es um die Ersparnisse von Einzelpersonen geht. Entscheidungen sollen nicht allein dem Computer überlassen werden, sondern müssen von verantwortungsvollen Akteuren getroffen werden. “Das Ziel ist nicht, KI zu limitieren, sondern sie zu kontrollieren”, betonte Tharman.
Als Beispiel zeigt Singapur, wie die Regierung ihre Finanzindustrie zu einem Labor für den verantwortungsvollen Einsatz von KI macht und sich somit als Zentrum für Finanztechnologie etabliert. Diese Bemühungen sind auch eine Reaktion auf problematische Erfahrungen mit der Kryptoindustrie, die zu Skandalen und hohen Verlusten führten. Mit der Verpflichtung zu mehr Transparenz wollen die Finanzaufseher sicherstellen, dass sie die Kontrolle über KI-Anwendungen behalten. “Banken müssen sicherstellen, dass ihre KI-Systeme keine undurchsichtige Blackbox sind und dass sie transparent und rechenschaftspflichtig bleiben”, erklärt Sopnendu Mohanty, Chief Fintech Officer bei Singapurs Zentralbank MAS. Zudem müssen Vorkehrungen getroffen werden, um sicherzustellen, dass KI-Entscheidungen – z.B. bei der Kreditvergabe – fair und ethisch sind und nicht zu verstärkter Diskriminierung führen.
Das Singapore-Fintech-Festival mit mehr als 60.000 Branchenvertretern und internationalen Finanzaufsehern wird von Singapur genutzt, um die globale Debatte über die Regulierung von KI entscheidend zu beeinflussen. Laut Mohanty will Singapur an der Spitze dieser Diskussion stehen und globalen Einfluss ausüben. Auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Kristalina Georgiewa, würdigt Singapurs Bemühungen und betont, es gebe keinen besseren Ort, um in die Zukunft zu blicken als Singapur, wo Fintechs florieren.
Doch Singapur hat aus seinen negativen Erfahrungen mit der Kryptobranche gelernt. Mohanty sagt in einem Interview mit dem Finanzdienst Bloomberg: “Wir haben aus unseren Erfahrungen mit digitalen Währungen viel gelernt. Wenn man übereilt handelt, können die Bösewichte schnell kommen.” Singapur war in den vergangenen Jahren ein attraktiver Standort für Kryptostart-ups, doch die darauffolgenden Skandale haben gezeigt, dass Vorsicht geboten ist. Im Mai 2022 kollabierte der Stablecoin TerraUSA des Start-ups Terraform Labs, das seinen Hauptsitz in Singapur hatte. US-Behörden werfen Gründer Do Kwon milliardenschweren Betrug vor. Auch der aus Singapur operierende Krypto-Hedgefonds Three Arrows Capital brach zusammen, und Gründer Zhu Su wurde wegen Betrugs festgenommen. Singapurs Nähe zu der Branche bleibt jedoch bestehen, da der Staatsinvestor Temasek 275 Millionen Dollar in die US-Kryptobörse FTX des kürzlich wegen Betrugs verurteilten Gründers Sam Bankman-Fried investierte. Nach dem Kollaps der Plattform musste Temasek das Geschäft als Totalverlust abschreiben.
Matthias Kröner, Gründer und ehemaliger CEO der Fidor Bank, der dem internationalen Beratergremium von Singapurs Zentralbank angehört, sagt: “Singapur war sehr offen für Krypto und wurde dafür bestraft.” Nun geht es darum, die Risiken von KI herauszuarbeiten und gleichzeitig für die Technologie offen zu sein. Dieser konstruktive Ansatz unterscheidet sich von dem in Deutschland üblichen Vorgehen des öffentlichen Sektors.
Sopnendu Mohanty betont eine ausgewogene Balance zwischen der Förderung von KI und der Begrenzung von Risiken zu finden. “Es ist ein fortlaufender Prozess und es wird nie eine perfekte Antwort geben”, sagt er. Zusammen mit lokalen Banken hat die singapurische Zentralbank eine Open-Source-Software entwickelt, mit der Finanzunternehmen ihre KI-Anwendungen auf Kriterien wie Fairness, Ethik und Transparenz testen können. Auch globale Unternehmen wie der Rückversicherer Swiss Re und Google nutzen dieses Tool, um ihre KI-Systeme zu prüfen. Singapur arbeitet auch an Richtlinien für die Verwendung von generativer KI, wie z.B. Chatbots, die Kunden von Finanzunternehmen beraten.
Sameer Gupta, Chief Analytics Officer bei Singapurs größter Bank DBS, betont die Verantwortung, die Finanzunternehmen haben, die Technologie verantwortungsbewusst einzusetzen. “Wir müssen sicherstellen, dass Kunden und Regulierer uns auf diesem Weg folgen”, sagt er. Sopnendu Mohanty glaubt, dass KI den Finanzplatz Singapur grundlegend verändern wird und tausende neue Jobs schaffen wird. Doch nun müsse man sich auch um qualifizierte Arbeitskräfte für diese neue Technologie kümmern. “Weiterbildung wird unvermeidlich sein”, sagt er.
(eulerpool-AFX)