Innovatives Start-up nutzt Künstliche Intelligenz zur Neugestaltung des Stromnetzes

Neue Trassen für Stromtransport aus Windenergie stoßen auf Widerstand. Ein innovativer Ansatz könnte hier eine Lösung bieten.

Deutsche Windräder werden oft abgeschaltet, wenn das Stromnetz nicht genug Kapazität hat. Dies sorgt für Widerstand gegen neue Stromtrassen. Eine neue Herangehensweise könnte Abhilfe schaffen. Immer mehr erneuerbare Energien fließen in das deutsche Stromnetz, aber manchmal können sie nicht genutzt werden. Wenn im Norden starker Wind bläst, wird viel grüner Strom erzeugt. Doch wenn das Netzt überlastet ist, kann dieser nicht gen Süden transportiert werden und es wird stattdessen auf konventionelle Kraftwerke zurückgegriffen.

Dieses Vorgehen, genannt „Redispatch“, ist sowohl teuer als auch ineffizient. Die naheliegende Lösung wäre der Bau neuer Hochspannungsleitungen. Allerdings gibt es auch einen weniger offensichtlichen, aber genauso wirksamen Ansatz: die Verwendung von Künstlicher Intelligenz (KI).

Das Start-up EnliteAI verfolgt genau diesen Ansatz. Laut Mitbegründer Marcel Wasserer, entstehen Netzengpässe oft nur in bestimmten Teilbereichen des Stromnetzes. Um das gesamte Netz zu stabilisieren, müssen diese Teilbereiche identifiziert und adressiert werden. Netzbetreiber haben bereits verschiedene Methoden, um ihre Stromnetze miteinander zu koppeln und Engpässe zu umgehen, aber diese stoßen schnell an ihre Grenzen, wenn versucht wird, die komplexe Verbindung von Tausenden von Knotenpunkten mit herkömmlichen mathematischen Optimierungsmethoden zu bewältigen.

Die Komplexität des Problems wird deutlich, wenn man bedenkt, dass allein an einem Umspannwerk etwa 70.000 verschiedene Konfigurationen möglich sind und diese Komplexität weiter zunimmt, je mehr Knotenpunkte hintereinandergeschaltet werden.

Die KI von EnliteAI soll dieses Problem lösen und das Netz in jedem Moment so verbinden, dass der maximale Anteil an grünem Strom genutzt werden kann. Dazu nutzt die KI Prognosen zum Stromverbrauch und zur Stromerzeugung und lernt aus ihren eigenen Fehlern und Erfolgen. Das Start-up kooperiert bereits mit mehreren Stromnetzbetreibern, darunter der größte westliche Stromnetzbetreiber RTE in Frankreich und Tennet in den Niederlanden, der auch ein großes Tochterunternehmen in Deutschland hat.

In einem von RTE durchgeführten Test konnte EnliteAI die Redispatch-Maßnahmen um 60 Prozent reduzieren. Das Unternehmen ist bereit, das gesamte Netz zu optimieren, sobald die Netzbetreiber grünes Licht geben. Allerdings können aufgrund der langen Planungszyklen großer Übertragungsnetzbetreiber und der kritischen Infrastruktur des Stromnetzes, die nicht experimentiert werden lässt, bis zum tatsächlichen Einsatz von KI noch einige Zeit vergehen.Die Chancen stehen jedoch besser im sogenannten Verteilnetz, das aus kleineren Stromleitungen besteht, die den Strom an einzelne Haushalte verteilen.

Hier lassen sich Neuerungen schneller umsetzen und es gibt mehr verschiedene Netzbetreiber, die sich mit den Herausforderungen der Energiewende befassen. Die Vision von EnliteAI wird durch eine erste Seed-Finanzierungsrunde, bei der eine siebenstellige Summe von Risikokapitalgebern wie Floud Ventures und Speedinvest sowie dem Family-Office Breeze eingesammelt wurde, unterstützt. Das Unternehmen wurde2017 gegründet und setzte seine KI zunächst in der Logistik in verschiedenen Unternehmen ein, bevor es sich auf Stromnetzkunden konzentrierte.

Jens Strüker vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik (FIT) bestätigt, dass KI dazu beitragen kann, die Stromnetze zu stabilisieren. Dies wird immer wichtiger, da immer mehr verschiedene Stromeinspeiser (wie Solarzellen und Windräder) und neue Verbraucher (wie Elektroautos und Wärmepumpen) hinzukommen. Laut Strüker füllen Unternehmen wie EnliteAI eine wichtige Lücke und sind ein großer Hebel, um unser Energiesystem zu verbessern. Allerdings bemängelt er auch, dass das Energiesystem in Deutschland noch nicht ausreichend vorbereitet ist für den effektiven Einsatz von KI-Lösungen, da noch viele Daten fehlen.

Um dieses Datenproblem zu lösen, schlägt Strüker vor, dass jede neu angeschlossene Anlage eine eigene digitale Identität erhalten sollte, um eine bessere Übersicht über den tatsächlichen Verbrauch und die Einspeisung von Strom zu ermöglichen. Dies würde es KIs erleichtern, das Netz optimal zu steuern.

(eulerpool-AFX)

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