Wirtschaftsministerium setzt auf 140-Punkte-Plan zur Effizienzsteigerung

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck setzt sich für eine Entlastung der Unternehmen von bürokratischen Hürden ein.

Deutsche Unternehmen haben mit vielen Herausforderungen zu kämpfen: hohe Strompreise, fehlende Arbeitskräfte und schwierige Exportbedingungen. Doch eine Hürde, die besonders häufig genannt wird, sind die vielen Berichtspflichten, die auf die Unternehmen zukommen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will diesen Bürokratieflut den Kampf ansagen und hat zusammen mit seinem Team 140 Maßnahmen zur Entlastung der Unternehmen identifiziert.

Dies ist jedoch nur der erste Schritt, da weitere 60 Maßnahmen noch einer genauen Prüfung unterzogen werden müssen. Eine dieser Maßnahmen betrifft die Anzeigepflicht für neue Messgeräte. In Zukunft müssen rund 40.000 Geräte pro Jahr nicht mehr bei den zuständigen Behörden gemeldet werden. Dies soll durch eine Anpassung des Mess- und Eichgesetzes erreicht werden. Auch die Zusammenführung der Meldedaten für den Energieverbrauch ist geplant, um Unternehmen von der Mehrfachmeldung bei verschiedenen Behörden zu befreien.

Des Weiteren werden Auflagen für Versteigerungen durch Unternehmen, wie beispielsweise Pfandleiher, verschwinden, da diese nun nicht mehr in Tageszeitungen angekündigt werden müssen. Weitere 20 Berichtspflichten, die in der Verantwortung der EU oder der Bundesländer liegen, sollen ebenfalls auf den Prüfstand gestellt werden. Dies alles soll dazu führen, dass Unternehmen von jährlichen Kosten in dreistelliger Millionenhöhe entlastet werden.

Habeck hat deshalb auch Vertreter mehrerer Wirtschaftsverbände eingeladen, um gemeinsam über das weitere Vorgehen beim Bürokratieabbau zu beraten. Eine Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) hat gezeigt, dass 72 Prozent der Unternehmen die Verwaltungsprozesse als zu langsam und unflexibel empfinden. Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der DIHK, Achim Dercks, betont, dass die Unternehmen sehnsüchtig auf die angekündigten Entlastungen warten.

Der Abbau von Berichtspflichten ist jedoch komplizierter als gedacht, da viele davon aus Gründen der Rechtssicherheit, des Umweltschutzes oder des Verbraucherschutzes eingeführt wurden. Auch Maschinenbaupräsident Karl Haeusgen betont, dass es einige sinnvolle Berichtspflichten gibt. Doch irgendwann haben Politik und Verwaltung übertrieben und immer wieder neue Pflichten geschaffen, ohne die alten zu überprüfen oder anzupassen.

Im Wirtschaftsministerium sind deshalb Beamtinnen und Beamte damit beschäftigt, Abteilung für Abteilung jede Berichtspflicht zu überprüfen und gegebenenfalls zu streichen oder zu vereinfachen. Damit setzt nicht nur Habeck, sondern auch die gesamte Bundesregierung ihr Versprechen um, die Wirtschaft von überbordender Bürokratie zu befreien. In ihrer Kabinettsklausur Ende August beschloss die Regierung zudem konkrete Maßnahmen wie den Abbau von Berichtspflichten und Praxischecks, um Entlastungen zu identifizieren.

Allerdings zeigt eine Umfrage unter den 15 Bundesministerien, dass außerhalb des Wirtschaftsressorts wenig passiert ist. Der Nationale Normenkontrollrat (NKR), der als unabhängiges Kontrollgremium die Gesetze und Verordnungen auf bürokratische Folgen prüft, sieht dies mit Sorge. Sein Vorsitzender Lutz Goebel betont, dass alle Ministerien in der Pflicht sind. Im Wirtschaftsministerium können aufgrund der Zuständigkeit besonders viele bürokratische Vorgaben für die Wirtschaft abgebaut werden, doch diese machen nur einen geringen Teil der jährlichen Kosten aus, die durch die insgesamt 12.000 Berichtspflichten des Bundes entstehen.

Wie Marie-Christine Ostermann, Präsidentin der Familienunternehmer, betont, reicht es nicht aus, Bürokratieabbau lediglich anzukündigen – die Umsetzung müsse folgen. Deshalb haben sich bereits mehrere Ministerien daran gemacht, verschiedene Berichtspflichten zu prüfen und gegebenenfalls abzuschaffen. Allerdings halten sich andere Ministerien wie das Arbeitsministerium in dieser Angelegenheit zurück. Sie setzen sich vielmehr in Brüssel dafür ein, dass Unternehmen durch die EU-Richtlinie zur Lieferkettenkontrolle nicht überfordert werden.

Die bereits national eingeführte Pflicht zur Überprüfung der Lieferketten soll demnach beibehalten werden, was in den Zuständigkeitsbereich von Wirtschafts- und Entwicklungsministerium fällt. Auch das Verteidigungsministerium sieht sich nicht in der Verantwortung, Berichtspflichten abzubauen. Im Umwelt- und Landwirtschaftsministerium wird hingegen noch geprüft, ob und welche Berichtspflichten reduziert werden können.

Einige Ministerien verweisen auf Zwänge des EU-Rechts, wie etwa das Justiz- und Umweltressort. Dabei hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits im März 2023 angekündigt, die EU-Berichtspflichten um 25 Prozent zu reduzieren. Doch obwohl von der Wirtschaft auch aus Brüssel schnellere Ergebnisse gefordert werden, bleibt die Umsetzung bisher nur zögerlich. Das zeigt sich auch in den wenigen Praxischecks, die bislang in den Ministerien durchgeführt wurden.

Das Konzept der Praxischecks besteht darin, Praktiker und Betroffene gemeinsam in Workshops zusammenzubringen, um Probleme bei der Umsetzung von Vorgaben zu identifizieren. Diese Idee hat sich das Wirtschaftsministerium im Frühjahr zu eigen gemacht und bereits einen Praxischeck für die Genehmigung von Photovoltaikanlagen durchgeführt. Weitere Checks sind geplant, beispielsweise zur Genehmigung von Windenergieanlagen, Unternehmensgründungen, Nachhaltigkeitsberichterstattung und Wärmepumpen.

Das Konzept, betroffene Unternehmen und Anwender sowie die Verwaltung in die Praxischecks einzubeziehen, schien auf dem richtigen Weg zu sein, um Missstände im Vollzug von Vorgaben aufzudecken. Jedoch haben bisher nur wenige Ministerien dieses Instrument genutzt. Das Bau-, Justiz-, Bildungs- und Arbeitsministerium haben immerhin eigene Formate für Beteiligungsverfahren eingerichtet, wie beispielsweise das Bündnis bezahlbarer Wohnraum.

Doch die Zurückhaltung der meisten Ministerien in Bezug auf Praxischecks ist laut NKR-Chef Johannes Goebel ein großer Fehler. Er betont die Wichtigkeit dieses Instruments, um die Qualität der Gesetze zu steigern und appelliert an alle Bundesministerien, dieses Instrument vermehrt zu nutzen. Damit könnte es zum Standard in der Regierung werden und somit zu einer effektiveren Umsetzung von Berichtspflichten beitragen.

Trotzdem wird Habeck sich auch dafür einsetzen, externe Berichtspflichten zu überdenken und gegebenenfalls abzuschaffen oder zu vereinfachen. Es bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung diesem Beispiel folgt und die deutschen Unternehmen von der Last der Bürokratie befreit, um deren Wettbewerbsfähigkeit und Entwicklung nicht weiter zu beeinträchtigen.

(eulerpool-AFX)

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